Stolz hat Google jetzt den Beweis für die Überlegenheit von Quantencomputern erbracht: Innerhalb von 200 Sekunden hat der Google-Quantencomputer eine Aufgabe gelöst, für die der schnellste Supercomputer 10.000 Jahre benötigen würde. Da stellt sich die Frage: Sind Quantencomputer die Zukunftsmaschinen für Unternehmen?
Wir erklären, was ein Quantencomputer ist und wie er der Wirtschaft dienen könnte.
Was ist ein Quantencomputer?
Auf die Frage, was ein Quantencomputer eigentlich ist, liefert Hartmut Neven, Director of Engineering bei Google und Leiter des Google Quantum Artificial Intelligence Lab, eine ganz einfache Antwort: „Ein Quantencomputer ist einfach ein viel, viel schnellerer Computer.“ Und wie schafft er das? Indem die klassische Logik, die als Grundlage normaler Computer dient, durch die Quantenphysik ersetzt wird.
Die klassische Logik beruht auf lediglich zwei Ziffern: 0 und 1. Sämtliche Bits als kleinste elektronische Speichereinheit weisen eine dieser beiden Ziffern als Zustand auf. Egal welcher Vorgang auf einem Computer läuft, immer bilden die Binärzahlen das Grundgerüst. Quantencomputer nutzen dagegen Quantenbits (Abkürzung: qubit). Diese nehmen die Zustände 0 und 1 gleichzeitig an und führen erforderliche Rechenschritte parallel und nicht nacheinander aus wie herkömmliche Computer.
Die Vermutung der Forschenden im Bereich Quanten-Computing: Quantencomputer können Berechnungen, für die sogar der schnellste und modernste Supercomputer tausende von Jahren benötigen würden, innerhalb von wenigen Minuten oder auch Stunden lösen.
Quanten-Technik noch nicht ausgereift
Bislang ist das alles aber nur Theorie, bloße Vermutungen überwiegen tatsächliche Fakten. Das ist dem derzeitigen Forschungsstand geschuldet. Die Fachwelt arbeitet schon seit geraumer Zeit an der Entwicklung von Quantencomputern. Genauer: Seit Anfang der 1980er Jahren sinnieren Physiker bereits über die Möglichkeiten des Quanten-Computing. Aber: Noch immer handelt es sich um reine Grundlagenforschung.
Die bisherigen Prototypen weisen zum Beispiel noch große Mängel auf, wie unter anderem die Tagesschau berichtet. Sie waren bislang einerseits noch langsamer als gewöhnliche Rechner, andererseits wiesen sie eine hohe Fehlerrate auf. Zudem ist die Anzahl der verwendeten qubits heutzutage noch sehr gering, wenn man bedenkt, dass sich die Forscher für wirklich leistungsstarke Quantencomputer Tausende, wenn nicht gar Millionen von qubits erhoffen.
Es gilt also das Motto: Jeder fängt mal klein an. Das Google-Experiment gilt auf jeden Fall schon einmal als Schritt in die richtige Richtung, euphorischer ausgedrückt sogar als ein Meilenstein in der Quantenforschung.
Bringt der Google-Quantencomputer die Computer-Revolution?
Der Grund: Offenbar hat es Google geschafft, die Quantenüberlegenheit (englisch: Quantum Suprema) zu belegen – also die Überlegenheit des Quantencomputers gegenüber den nach herkömmlicher Art konzipierten Supercomputern. Zumindest legt das ein Artikel nahe, den Google jetzt über das Fachmagazin Nature veröffentlichen ließ.
Der Artikel berichtet von einem Experiment, bei dem der von Google entwickelte 54-qubit-Prozessor „Sycamore“ die Hauptrolle spielt. Dieser Chip ist wenig größer als der Nagel eines Daumens und ist in einer Umgebung verbaut, in der es „kälter als im Weltall ist“. Er bildet sozusagen den Kern des Google-Quantencomputers. Dieser sollte im Zuge des Experiments eine ganz bestimmte Rechenaufgabe lösen. Nach Angaben von Google war diese bewusst so konzipiert, dass sie selbst für einen hochentwickelten Computer als schwer, für einen Quantencomputer dagegen als einfach einzustufen ist.
Das Ergebnis: Der Quantencomputer benötigte exakt 200 Sekunden für die Aufgabenlösung; der schnellste Supercomputer der Welt würde vermutlich 10.000 Jahre benötigen, um zu demselben Ergebnis zu kommen.
Computer-Revolution lässt noch auf sich warten
Die Antwort auf die Frage, ob der Google-Quantencomputer die Computer-Revolution bringt, lautet – zumindest vorerst – nein. Immerhin gilt das Google-Experiment als höchst akademisch. Derzeit sind Quantencomputer nämlich noch längst nicht in der Lage, neben theoretisch-mathematischen Berechnungen auch praktisch-relevante Berechnungen vorzunehmen.
Google selbst verfolgt mit der Forschung zum Quantencomputer übrigens ganz eigennützige Ziele. Natürlich geht es zum Teil darum, mit dem Beweis für die Quantenüberlegenheit in die Geschichtsbücher einzugehen. Aber es geht auch um einen potentiell konkreten Nutzen für Google: Quanten-Computing könnte zum Beispiel auch der Bildersuche oder der Spracheingabe im Android-Betriebssystem auf die Sprünge helfen.
Übrigens: Google hat die Daten zu dem Experiment öffentlich zugänglich gemacht, sodass auch andere Wissenschaftler, Universitäten und Forschungsgruppen darauf zugreifen und weitere Untersuchungen dazu anstellen können.
Wie kann der Google-Quantencomputer zum Einsatz kommen?
Die Frage ist, wie Quantencomputer im Allgemeinen und der Google-Quantencomputer im Besonderen überhaupt zum Einsatz kommen könnten. Die Kernkompetenz der Quantentechnologie heißt: Optimierungsprobleme lösen. Und die kann in vielen verschiedenen Bereichen glänzen. Zum Beispiel:
- Industrie: Viele Systeme, die tagtäglich verwendet werden, könnten mit der Hilfe von Quantencomputern besser verstanden werden. Mithilfe der komplexen Berechnungen und den ausgeklügelten Simulationen könnten die Kosten im Maschinenbau und späteren -betrieb reduziert werden. Der kostengünstigste Bau von Flugzeugen, der geringste Windwiderstand bei Fahrzeugkarosserien, extrem langlebige Batterien, effizientere Solarzellen und leistungsstärkere Entsalzungsanlagen zur Gewinnung von Trinkwasser – all das ließe sich durch die Quantentechnik realisieren.
- Logistik & Verkehr: Spezielle Quantenalgorithmen könnten dabei helfen, Verkehrsströme besser zu begreifen und vorherzusehen. Auf der Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse wäre es dann wiederum möglich, Tourenplanungen gezielter und effizienter vorzunehmen.
- Gesundheitswesen: Durch die enorme Rechenleistung von Quantencomputern könnte sich der Forschungsprozess zu den Mutationen von Krebs oder Krankheiten wie Krebs deutlich beschleunigen. Entsprechende Bestrebungen gibt es schon.
- Künstliche Intelligenz: Dieser Bereich ist für Google besonders interessant. Es geht um maschinelles Lernen und smarte Algorithmen, durch die zum Beispiel Gesichtserkennung, Spracherkennung und Co. verbessert werden könnten.
Die Potenziale liegen also auf der Hand. Manche wagen schon vom nächsten Wirtschaftswunder zu träumen. Allerdings scheinen solche Träume aktuell noch in ziemlich weiter Ferne zu sein. Aber wer weiß: Auch das Smartphone war von wenigen Jahrzehnten noch absolute Zukunftsmusik – und heute hat es fast jeder in der Hosentasche.
Wo Träumer sind, gibt es auch Skeptiker
Wie so oft gehen mit dem technologischen Fortschritt aber auch Risiken einher – zumindest werfen Skeptiker diese immer wieder in den Raum. Eine Befürchtung lautet etwa, dass Quantencomputer womöglich bestehende Verschlüsselungsprotokolle brechen könnten, womit Daten und Systeme unsicher würden.
Kristel Michielsen, Leiterin des Bereichs Quanten-Informationsverarbeitung am Jülich Supercomputing Center, hält das für kein so großes Problem. Sie geht davon aus, dass sich auch die Verschlüsselungsmechanismen weiterentwickeln und den neuen Herausforderungen gewachsen sein werden.
Und dann gibt es da noch diejenigen Kritiker, die explizit das Google-Experiment in Frage stellen. IBM, ein Konkurrent in der Quantenforschung, wirft zum Beispiel die Vermutung auf, dass ein Supercomputer nicht 10.000 Jahre, sondern nur zweieinhalb Tage zur Lösung der Aufgabe benötigen würde.
IT-Experten bleiben am Ball
Es steht jedenfalls noch in den Sternen, wie es mit der Forschung zum Quantencomputer weitergehen wird. Werden solche Rechner irgendwann so leistungsstark sein, wie es sich die Forscher erhoffen? Würden sie wohl nur in Forschung und Wissenschaft eingesetzt? Oder werden Sie eines Tages vielleicht ein so selbstverständlicher Alltagsgegenstand wie heute das Smartphone? All diese Fragen sind heute noch nicht zu beantworten. Wir bleiben bezüglich der Entwicklungen in diesem Bereich auf jeden Fall am Ball.
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