Mit der DSGVO-Umsetzung ist es längst nicht soweit her, wie noch im Frühjahr erwartet. Einer aktuellen Studie zufolge, hat durchschnittlich gerade einmal eines von vier Unternehmen die Vorgaben vollständig umgesetzt.
Was das für Unternehmer, Datenschützer und Rechtsanwälte bedeutet und wie hoch die Gefahr von Abmahnungen ist, verraten wir jetzt.
Vollständige DSGVO-Umsetzung noch Wunschdenken
Auf der Bitkom-Datenschutzkonferenz in Berlin ließ die niedersächsische Datenschutzbeauftragte Barbara Thiel Zahlen sprechen. Eine Umfrage unter 500 Unternehmen ergab, dass im Schnitt erst jeder vierte Betrieb die strengen Auflagen und Vorgaben der DSGVO vollständig erfüllt und umgesetzt hat. Von Fortschritt keine Spur – und das ein knappes halbes Jahr nach dem Fristende. Stattdessen hagele es Anfragen und Beschwerden an Datenschutzbeauftragte und Politiker. Insbesondere die KMUs verlangten nach entsprechender Unterstützung. Da genau die scheinbar Mangelware ist, hat sich die Anzahl der Unternehmen, die die DSGVO Umsetzung vollständig von ihrer To-Do-Liste streichen können, seit Ende Mai nicht wirklich erhöht. Satte 96 Prozent der Firmen fordern hingegen eine Nachbesserung oder Vereinfachung der DSGVO. Besonders gefragt: grundsätzliche Erleichterungen für kleine Betriebe oder eine praxisnähere Gestaltung der Informationspflichten.
Bitkom-Rechtsexpertin Susanne Dehmel sprach in diesem Zusammenhang von einer „ernüchternden Bilanz“. Die Gründe dafür nennt sie ebenfalls: „Bei der Umsetzung der DSGVO haben sich viele Unternehmen klar verschätzt. Für andere ist die komplette Umsetzung wohl kein zeitliches Problem, sondern ein Ideal, das gar nicht zu erreichen ist.“ Sie fügt hinzu: „Vielen ist offenbar auch erst im Laufe der Prüfung und Anpassung ihrer Prozesse bewusst geworden, was für einen Nachholbedarf sie beim Datenschutz haben.“
Allerdings scheint noch Hoffnung am Datenschutzhimmel zu bestehen: nur zwei Prozent aller Unternehmen sind überhaupt noch nicht aktiv geworden. 32 bis 33 Prozent stecken hingegen in den letzten Zügen der DSGVO-Umsetzung. Bleibt allerdings die breite Masse, die irgendwo dazwischen hängt.
Datenschutzbehörden unter Dauer-Ansturm
Die große Unsicherheit vieler Unternehmen führt dazu, dass die Datenschutzbehörden beinahe vor Anfragen zusammenbrechen. Barbara Thiel spricht von einer Explosion der Anfragen seit Mai 2018. Zum Vergleich: in Q1 bearbeiteten die 44 Mitarbeiter ungefähr 1.300 Anfragen. In Q2 waren es rund 4.300. Vor allem die KMUs, aber auch Vereine, Apotheken und Ärzte suchen Rat und Hilfe. In Summe beklagen sich knapp 80 % aller Unternehmen über den hohen Aufwand, den die Umsetzung der Datenschutzgrundverordnung mit sich bringt. Das zeigt sich auch in der ebenfalls stark angestiegenen Anzahl der Beschwerden rund um das Thema.
Für die Datenschutzbeauftragte Thiel ist all das wenig verwunderlich, so haben sich ihrer Ansicht nach die meisten Unternehmen viel zu spät mit der Herausforderung der DSGVO Umsetzung beschäftigt. Erst Ende 2017 hätten sich die von den Behörden angebotenen Informationsveranstaltungen gefüllt. Von adäquater Hilfe seitens der Behörden ist trotzdem nicht viel zu sehen. Die Institutionen seien für Individualberatungen personell überhaupt nicht gewappnet. Wer Informationen benötige, möge sich die Informationsbroschüren aus dem Netz ziehen. Verständnis und Unterstützung sehen etwas anders aus.
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Jetzt Kontakt aufnehmen!Warnung vor Abmahnungen und Sanktionen
Barbara Thiel warnt Unternehmer eindringlich vor möglichen Abmahnungen und Sanktionen. Im Gegensatz zu anderen Ländern wie Österreich, gelte in Deutschland nicht der Grundsatz: „Einmal ist keinmal“. Thiel betonte zwar, dass die Behörde ihre maximale Bußgeldhöhe von 20 Millionen (!) Euro nicht sofort ausschöpfen würde, aber man werde „deutlich höher rangehen“ – zumindest im Vergleich zu bisherigen Strafmaßen. Zwar seien die Behörden personell momentan nicht in der Lage, selbst umfassende Kontrollen durchzuführen, aber die eingehenden Beschwerden von Datenschutzverstoß-Betroffenen machten die Schreibtische auch voll. Und da mittlerweile sogar Anzeigen durch Wettbewerber zugelassen werden, könnte es für viele Unternehmen künftig wirklich ungemütlich werden. Eine wirkliche Gefahr für ihr Geschäft sehen der Umfrage zufolge aber aktuell „nur“ 12 Prozent der Unternehmen.
Was also bleibt? Wohl die Frage danach, wie und ob Ärzten, Apotheken, den KMUs und Co. künftig geholfen wird. Barbara Thiel selbst rechnet damit, dass es noch die nächsten drei bis fünf Jahre dauern werde, bis die Rechtsunsicherheit bezüglich der DSGVO überwunden sei. Ohne eine entsprechende staatliche Unterstützung oder Abschwächung der häufig sehr strengen Auflagen, wird wohl aber auch das in die Kategorie „Wunschdenken“ fallen.
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