Nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs im Jahr 2019 ist die lückenlose Arbeitszeiterfassung eigentlich Pflicht. Aber: So richtig umgesetzt wird sie in Deutschland noch nicht.
Wir erklären, was Unternehmen dazu wissen müssen und welche Investitionen in Arbeitszeiterfassungssysteme, digitale Stempeluhren und Software nötig sind.
Arbeitszeiterfassung ist Pflicht(?)
Die Richter des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) drückten sich in ihrem wegweisenden Urteil vom 14. Mai 2019 (C‑55/18) unmissverständlich aus: Alle Arbeitgeber in der Europäischen Union müssen Systeme einführen, mit denen eine lückenlose Erfassung der Arbeitszeit möglich ist. Ganz konkret lautet die Forderung, dass Arbeitszeit grundsätzlich durch ein objektives, verlässliches und transparentes System erfasst werden muss.
Als Hauptgrund dafür wird angeführt, dass nur so überprüft werden könne, ob die gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeiten und die maximal zulässige Wochenarbeitszeit eingehalten werden. Laut Aussage des EuGH sei eine Überprüfung der Regeleinhaltung nicht anders möglich. Und immerhin: In Deutschland sollen jährlich zwei Milliarden Überstunden anfallen, die Hälfte davon unbezahlt – sinnvoll wäre eine Überprüfung also allemal.
Eigentlich waren die Länder anschließend dazu aufgerufen, das Urteil in geltendes Recht zu überführen. Kleiner Spoiler vorweg: In Deutschland ist das noch nicht passiert. Dennoch berufen sich Arbeitsgerichte bereits auf das Urteil. Das zeigt: Auch ohne eine gesetzliche Regelung sind Arbeitszeiterfassungssysteme einzuführen.
Arbeitszeiterfassung: 2022 neu diskutiert
Zuletzt sind die Diskussionen um eine gesetzlich geregelte Pflicht zur Arbeitszeiterfassung im Februar 2022 neu aufgebrandet. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat zu diesem Zeitpunkt nämlich einen Gesetzesentwurf unter dem Titel „Zweites Gesetz zu Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung“ zur Neuregelung von Minijobs vorgelegt.
Und darin steht auch, dass Arbeitsbeginn, -ende und -dauer künftig unmittelbar aufzuzeichnen, dem Arbeitgeber zu übermitteln und von diesem manipulationssicher aufzubewahren sind. Hintergedanke war es, dass sich Angaben dadurch nicht verfälschen oder im Nachhinein verändern lassen. Im Prinzip entspricht dieser Vorstoß also genau den Vorgaben des EuGH-Urteils.
Aber: Einiger Gegenwind sorgte für eine Streichung sämtlicher Passagen dazu aus dem Entwurf. Der arbeitsmarkt- und sozialpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Pascal Kober, sagte beispielsweise dazu, die elektronische Arbeitszeiterfassung sei in der Praxis nicht umsetzbar – vor allem dann, wenn Beschäftige wie Bauarbeiter oder Reinigungskräfte an verschiedenen Orten tätig sind.
Mit modernen Tools Arbeitszeit erfassen
Das stimmt allerdings nicht unbedingt. Denn: Es gibt moderne Tools, mit denen sich die Arbeitszeit auch per Smartphone oder Tablet von unterwegs aus erfassen lasst. Natürlich sind dazu aber einige Investitionen notwendig. Vor allem dann, wenn Arbeitgeber nicht nur die Geräte, sondern auch die notwendige Software anschaffen müssen. Zu den Investitionskosten kommt aus Sicht der Arbeitgeber auch noch ein recht hoher Implementierungs- und Verwaltungsaufwand hinzu.
Und auch viele Arbeitnehmer zeigen sich nur wenig begeistert. Mitarbeiter im Außendienst, im Home Office und alle, die das Konzept „Vertrauensarbeitszeit“ schätzen, werten die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung als kompliziert. Das Urteil könnte diesbezüglich nämlich eher einen Rückschritt als einen Fortschritt bedeuten.
Vieles von dem, was sich Gewerkschaften, Betriebsräte und Arbeitnehmer in den vergangenen Jahren erkämpft haben, könnte durch die Entscheidung des Gerichtshofs auf der Kippe stehen – zum Beispiel Freiheit, jederzeit und von überall aus zu arbeiten. Eine ebenfalls denkbare Konsequenz des Urteils lautet, dass viele Unternehmen wieder zurück zu Altbewährtem gehen und beispielsweise das Home Office einfach streichen.
Tools, Apps & Software für die Zeiterfassung
Der Markt für Tools zur (digitalen) Zeiterfassung erlebt jedenfalls schon einen kleinen Boom. Von Apps für die Arbeitszeiterfassung (beziehungsweise „Arbeitszeit-Software“) über lokal installierte Tools bis zu klassischen Stempeluhren, die mit einer Software gekoppelt sind: Das Angebot ist groß und für Laien oft undurchsichtig.
Wichtig ist: Die Arbeitszeit eines jeden Angestellten muss exakt erfasst werden. Das gilt sogar dann, wenn Mitarbeiter am Wochenende nur kurz für fünf Minuten ihre E-Mails checken oder abends einen Satz in einem Dokument ergänzen. Auf Basis der erhobenen Daten muss der Arbeitgeber dann wiederum sicherstellen, dass die maximale Wochenarbeitszeit von 48 Stunden nicht überschritten und Ruhezeiten eingehalten werden.
Und genau hier liegt das große Problem. Denn selbst wenn es noch nicht einmal der Arbeitnehmer selbst so empfindet: Auch wenn er nur für Sekunden in sein geschäftliches E-Mail-Postfach guckt, unterbricht er seine Ruhezeit. Grundsätzlich ist es aber sicherlich sinnvoll, so etwas zu unterbinden – Workaholismus und eine hohe Bornout-Rate sprechen jedenfalls dafür.
Welche Arbeitszeiterfassungssoftware ist die beste?
Wie die Umsetzung in der Praxis funktionieren soll, darüber herrscht aber weiterhin noch große Ungewissheit. Aber Fakt ist: Arbeitgeber sind wieder einmal in der Pflicht. Und wer noch nicht über ein modernes Arbeitszeiterfassungssystem verfügt, sollte sich definitiv mit den gängigen Lösungen auseinandersetzen.
Wichtig für alle Unternehmen: Lassen Sie sich bei der Auswahl der entsprechenden Software die nötige Zeit. Es gilt schließlich, das beste System für das eigene Unternehmen auszuwählen. Denn was für den Großkonzern die beste Lösung sein kann, könnte sich für den kleinen Handwerksbetrieb als ein Verwaltungsfiasko herausstellen.
Unser Tipp: Nutzen Sie unbedingt die herstellerunabhängige Beratung durch einen kompetenten IT-Dienstleister. Ein solcher kennt die Vor- und Nachteile entsprechender Systeme, kann den Implementierungsaufwand beziffern, die passende Software beschaffen und anschließend die entsprechenden Maßnahmen steuern. Damit haben Sie als Unternehmer zumindest schon einmal eine Baustelle weniger.
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