Deutschland bekommt seinen eigenen Digitalrat. Soweit die aktuelle Meldung aus der Politik. Doch was genau bedeutet das für mittelständische Unternehmen in Zeiten der Digitalisierung?
Wir verraten, welchen wichtigen Herausforderungen sich der neue Digitalrat stellen soll und welche Chancen sich daraus für KMUs ergeben könnten.
Neuer Digitalrat soll Digitalisierung vorantreiben
Schaut man sich einmal an, woher die wichtigen Konzerne stammen, die sich mit der Digitalisierung auseinandersetzen, wird schnell klar: Deutschland hinkt hinterher. In der Bundesrepublik gibt es nicht einmal ansatzweise Pendants zu Weltkonzernen wie Google, Microsoft oder Apple. Das ist soweit weder neu, noch irrsinnig schlimm. Schlimm ist allerdings die Tatsache, dass es vielen deutschen Unternehmen an Ambitionen, Know-how oder auch Mut fehlt, die Digitalisierung voranzutreiben. Ein neues Expertengremium aus zehn Mitgliedern, der sogenannte Digitalrat, soll das jetzt ändern. Darunter befinden sich Experten für KI, Cloud-Computing, Vernetzung und Big Data. Angezettelt wurde das Projekt von Bundeskanzlerin Angela Merkel persönlich.
Aufgaben und Herausforderungen des Digitalrats
Das neue Gremium soll sich vornehmlich den wichtigsten Herausforderungen und größten Problemen rund um die Digitalisierung stellen. Da wäre als allererstes die grundlegende Infrastruktur zu nennen. Wirklich schnelles (und stabiles) Internet ist nach wie vor vor allem in ländlichen Gebieten Mangelware. Andere Länder, und dafür muss man nicht einmal über den großen Teich gucken, sind da deutlich weiter. Unter der mangelnden Verfügbarkeit schneller Leitungen leiden nicht nur frustrierte Privatnutzer, deren YouTube Videos minutenlang buffern – auch Unternehmen, die abseits von Großstädten ansässig sind, haben das Nachsehen. Das groß angelegte Förderprogramm unter Alexander Dobrindt ist allerdings bislang ein Rohrkrepierer. Ob der neue Digitalrat eine Lösung für dieses Kernproblem liefern kann, ist allerdings fraglich. Unter den zehn Experten befindet sich nämlich niemand, der über außergewöhnliches Know-how in Sachen digitale Infrastruktur verfügt.
Mangelware Digital-Konzerne aus Deutschland
Eine ganz andere Sache, aber auch ein Mangel, ist die Anzahl der relevanten Digital-Konzerne aus unseren Gefilden. Nach SAP wird es da ziemlich „dünne“. Ausnahmslos alle führenden Unternehmen stammen aus den USA – und die geben auch in Deutschland den Takt vor. Eine Frage, der sich der Digitalrat stellt, ist die, ob man die Macht der digitalen Riesen in irgendeiner Form begrenzen kann und sollte. Gremiumsmitglied Viktor Mayer-Schönberger hat diesbezüglich schon Vorschläge gemacht, die unter anderem bei SPD-Chefin Andrea Nahles Gehör fanden. Was das genau bringt und wohin die freigewordene Macht verteilt werden kann, darüber herrscht noch Unklarheit.
So oder so steht aber vor allem die Förderung der Digitalwirtschaft im Fokus der Experten. Mitglieder wie Ijad Madisch, Mitbegründer des Wissenschaftlernetzwerks ResearchGate, wollen dabei helfen, dass mehr Unternehmen dieser Ausrichtung gegründet werden. Ratskollegin Stephanie Kaiser, Geschäftsführerin von Heartbeat Labs, ergänzt den Vorschlag einer individuellen Förderung von Geschäftsmodellen, die auf digitalen Prozessen oder Produkten basieren.
Digitalisierung vs. Behörden – ein ungleiches Paar
Weniger wichtig für Unternehmer, aber dennoch ein weiterer Punkt auf der To-Do-Liste ist das Vorantreiben digitaler Prozesse in den Behörden und der Verwaltung. Ob Schule, Stadtverwaltungen oder Ämter: hier hängen alle hinterher. Projekte, wie beispielsweise ein Online-Bürgerportal, in dem man sein neues Auto anmelden oder seinen Reisepass beantragen kann, sind durchaus gewünscht – aber noch weit entfernt von einer flächendeckenden Umsetzung. Grundproblem auch hier: die Infrastruktur und festgefahrene Prozesse. Bitkom-Präsident Achim Berg spricht von einem grundsätzlichen Umsetzungsproblem des Landes. Statt digitale Projekte schnell und effektiv umzusetzen, verliere man sich in Debatten und Problemen. Auch hier soll der neue Digitalrat zukünftig unterstützen und Steine aus dem Weg räumen.
Kritik am Digitalrat aus der Opposition
Oppositionspolitiker wie beispielsweise Konstantin von Notz und Tabea Rößner von den Grünen zeigen sich wenig beeindruckt vom Digitalrat. Es sei ja nicht so, dass es bislang keine digitalpolitischen Vorschläge gäbe. An Erkenntnissen mangele es also nicht, sondern an konkreten Handlungen. Und auch die FDP kann über den neuen Digitalrat nur müde lächeln: „Eine Regierung, die im Jahr 2018 immer noch Nachhilfe bei der Digitalisierung benötigt, ist nicht nur ein Trauerspiel. Sie disqualifiziert sich vielmehr selbst durch ihre Ahnungslosigkeit“, so Manuel Höferlin, Sprecher der FDP-Fraktion.
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