Die Digitale Souveränität ist gefährdet – das behaupten Experten, die die Abhängigkeit von großen Hard- und Software-Anbietern aus dem Ausland kritisch sehen. Parallel arbeiten die EU-Kommission und die Bundesregierung an einer Erweiterung der Kompetenzen europäischer IT-Unternehmen.
Wie sieht die Realität im Hinblick auf die Digitale Souveränität der EU und Deutschland aus? Was sind die Auswirkungen?
Digitale Souveränität – Schlüsselbegriff des 21. Jahrhunderts
Der Begriff Digitale Souveränität ist schnell erklärt. Im Prinzip ist damit nichts anderes als die Möglichkeit eines jeden Einzelnen gemeint, digitale Medien und Produkte souverän nutzen zu können. Alternativ wird auch der Begriff „Technische Souveränität“ verwendet.
Die eigentliche Zielsetzung dahinter ist sogar Bestandteil des aktuellen Koalitionsvertrags, in dem es heißt: „[Wir treten] für eine europäische Cyber-Sicherheitsstrategie ein, ergreifen Maßnahmen zur Rückgewinnung der technologischen Souveränität, unterstützen die Entwicklung vertrauenswürdiger IT- und Netz-Infrastruktur sowie die Entwicklung sicherer Soft- und Hardware und sicherer Cloud-Technologie und begrüßen auch Angebote eines nationalen bzw. europäischen Routings.“ Besonders aber durch die starken Positionen internationaler Konzerne aus den USA und Asien sehen Experten dieses Ziel enorm gefährdet.
Abhängigkeit verringern, eigene IT-Kompetenzen stärken
Ninja Marnau vom Helmholtz-Zentrum für Informationssicherheit bezeichnet die aktuelle Lage als „besorgniserregend“ und meint damit vor allem die Abhängigkeit der EU von internationalen Großkonzernen. Einzelne Anbieter wie Huawei auszuschließen, löse die eigentlichen Probleme aber auch nicht. EU-Unternehmen müssen nachziehen, da sind sich Regierung, Komission und Branchenexperten einig.
Trotzdem wäre es wohl blauäugig zu erwarten, dass irgendwann ein EU-Hersteller mit einem neuen Betriebssystem die IT-Welt revolutioniert. Aber selbst einige Stufen weiter unten ist noch viel Luft nach oben. Im Endeffekt stammt nämlich kein Anbieter grundlegender IT-Produkte aus der Europäischen Union oder gar Deutschland. Von der Tastatur über den Browser bis hin zu Server-Hardware: Die Big Player kommen allesamt aus Übersee. Die dadurch entstehende Abhängigkeit kann früher oder später zu massiven Problemen für europäische Unternehmen werden.
Digitale Souveränität stärken, aber wie?
Das ist die Frage aller Fragen. Es ist immerhin nicht so, als unterstütze die EU bzw. die Bundesregierung Unternehmen und Konsumenten nicht in Zeiten der Digitalisierung. Dennoch beobachten Expertin wie Marnau eine „flächendeckende IT-Unsicherheit“ und vermissen eine übergreifende Regulierung. Als Beispiel führte Marnau bei einer Anhörung im Bundestag die DSGVO an. Diese schütze zwar personenbezogene Daten im Netz, trotzdem könne noch jeder Konsument in einem Geschäft eine unsichere Web-Cam erwerben.
Ihre Vision: Eine zentrale Regulierungsstelle, die ein Grundmaß an IT-Sicherheit gewährleistet und sich dabei sowohl auf Betreiber als auch auf Nutzer bezieht. Selbige sollte auch Aspekte wie Updates, Haftung und Gewährleistung berücksichtigen. Ein weiteres Problem für Experten: Das aktuelle Strafrecht. Es behinderte die Sicherheitsforschung, weil Behörden und Anbieter selbst wie Kriminelle agieren müssten, um Systeme in ausreichender Tiefe zu verstehen. Die finale Forderung kurz zusammengefasst: Mehr Förderung bzw. Fördermittel für heimische Hard- und Softwarehersteller.
Digitalisierung ohne Unterstützung aus Übersee?
Kommen wir zurück zur Abhängigkeit. Tatsächlich ist es so, dass der Ausbau des 5G-Netzes ohne Technologien aus China wesentlich länger dauern würde. Gar von fünf Jahren ist die Rede. Der Grund: 5G baut als Hybrid-Netz auf der vorhandenen 4G-Technologie auf. Ohne die Chinesen müsste die bestehende Infrastruktur komplett erneuert werden.
Das Beispiel zeigt: Ganz ohne globale Technologie-Vorreiter geht es nicht. Oder es ginge schon, aber dann würde die EU Jahre hinterherhinken, was die Problematik nur verschärfen würde. Die Kunst liegt für Wirtschaft und Politik also darin, eigene Kompetenzen aufzubauen und zu stärken, aber dabei stets im Auge zu behalten, welche Vorteile auch die Nutzung vorhandener Technologien haben kann. Selbst wenn man dann in irgendeiner Form abhängig ist. Das sind wir schließlich auch als Privatpersonen immer zu einem bestimmten Teil.
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